Praxisbeispiele

Um zu zeigen, welche außerordentlich positiven Ergebnisse mit bestimmten Vorgehens- und Verhaltensweisen für ein Unternehmen zu erreichen sind, werden im Folgenden einige prägnante Beispiele aus der langjährigen Tätigkeit in der Leitung erfolgreicher Unternehmen geschildert. Natürlich sind die Beispiele aus der besonderen Situation im jeweiligen Unternehmen entstanden und nicht einfach auf andere Firmen zu übertragen, aber die Grundlinien im Denken und Handeln können mit Sicherheit auch in anderen Unternehmen neue Projekte mit ähnlichen Erfolgen initiieren.

Neue einstufige Stanztechnik

In einem Unternehmen für elektrische Verbindungssysteme mit großem Marktanteil in der Automobilelektrik und -elektronik (zweitgrößter Lieferant in Deutschland) wurden seit Mitte der 80er Jahre elektrische Steckverbindersysteme mit Zusatzfedern aus Edelstahl produziert. Diese Systeme hatten sich weltweit sehr gut in vielen Automobilmarken etabliert, da sie bei den extremen Beschleunigungen im Auto eine hohe Sicherheit gegen kurzzeitige Kontaktaussetzer garantierten. Solche Aussetzer sind für die im Auto eingesetzten Elektroniken absolut tödlich. Wegen des großen Erfolges dieser Systeme waren mit der Zeit mehrere Wettbewerber in Europa in diesen Produktbereich eingetreten, was zu einem heftigen Preisverfall geführt hatte und eine Produktion mit deutschen Löhnen ziemlich unlukrativ machte.

Das Produktionsverfahren bestand nach dem Stand der Technik aus zwei getrennten Stanzprozessen, die von allen Konkurrenten gleichermaßen praktiziert wurden. Zuerst wurden die Zusatzfedern aus Edelstahl gestanzt und endlos als Band aufgespult. Danach wurden im 2. Stanzprozess die elektrischen Kontakte aus Kupferlegierungen gestanzt, die vorgestanzten Edelstahlfedern ins Stanzwerkzeug eingeführt und im Werkzeug auf die Kontakte montiert. Für beide Prozesse wurden extrem präzise und teure Produktionsanlagen gebraucht, und da die Produkte in sehr großen Stückzahlen verkauft wurden, waren in dem Wuppertaler Unternehmen rund 40 teure CNC-Stanzmaschinen rund um die Uhr mit dieser Produktion beschäftigt.

Um seinen Vorsprung in der Produktionstechnik wieder zu vergrößern, suchte das Unternehmen gezielt andere, produktivere Methoden zur Herstellung dieser Produktgruppe. Aus Qualitätsgründen konnte die Stanzgeschwindigkeit nicht wesentlich erhöht werden und so kam man auf die Idee, einen kompletten Prozess einzusparen und beide Stanzprozesse in einem Werkzeug auszuführen. Diese Idee bedeutete, dass zwei unterschiedlich dicke Bänder in ein doppelspuriges Werkzeug eingeführt und dann auch noch unterschiedlich weit vorgeschoben werden mussten, und das Ganze extrem präzise und mit Hubzahlen um 10 pro Sekunde. Damit war die Grundidee für eine einstufige Stanztechnik bei der Herstellung zusatzfedergestützter Elektrokontakte geboren, allerdings mit der Einschränkung der noch zu lösenden Vorschubproblematik.

Alle Stanzfachleute, Stanzmaschinenhersteller und Werkzeugbaufachleute hielten das Vorhaben damals für nicht umsetzbar, weil der Transport unterschiedlich dicker Bänder mit unterschiedlich weitem Transport durch den zwangsgesteuerten mechanischen Bandtransportapparat an den Stanzmaschinen physikalisch nicht möglich sei. Durch eigene Grundsatzuntersuchungen der mechanischen Vorgänge in einem Vorschubapparat und in Zusammenarbeit mit einem hochkreativen deutschen Stanzwerkzeugbau gelang es, ein funktionierendes neues Vorschubprinzip für zwei unterschiedliche Bänder mit einem Vorschubapparat zu finden.

Die Umsetzung dieses ambitionierten Vorhabens erforderte zwar noch eine Reihe weiterer Innovationen im Umfeld der Stanzmaschinen, bei der Haspeltechnik gewalzter Bänder und für die integrierte Qualitätssicherung im Stanzprozess, führte aber innerhalb von 2 Jahren dazu, dass die Produktgruppe der zusatzfedergestützten Kontaktsysteme mit drastisch geringeren Herstellkosten und gleichzeitig deutlich besseren Nutzungsgraden und konstanterer Qualität produziert werden konnte.

Mit dieser Innovation der Produktionsprozesse gelang es dem Unternehmen in der deutschen Automobilindustrie die Spitzenposition als Lieferant zu erobern und auch international riesige Bedarfe auf sich zu ziehen. In den Folgejahren wurden weit über 40 Systeme dieser Art in Betrieb genommen, die eine Ausbringungsmenge wie vorher ca. 90 Stanzmaschinen hatten. Diese Innovation hat dem Unternehmen damals ein unangreifbares Alleinstellungsmerkmal und sehr hohe Erträge gebracht, während einige europäische Wettbewerber die Produktion dieser Artikelgruppen zeitweise ganz einstellten, weil sie preislich nicht mehr zurechtkamen. Die extrem gute Marktposition konnte über viele Jahre behauptet werden, da solche Systeme nicht leicht nachzubauen waren und überhaupt nur von Firmen mit exzellentem Stanzwerkzeugbau betrieben werden konnten.

Gewindebolzenumspritzung

Dieses Beispiel stammt aus einem Lüdenscheider Kunststoffspritzgussbetrieb mit ca.70 Mitarbeitern, der als Zulieferer für große deutsche Automobilzulieferer im Elektrobereich tätig war.

Als langjähriger gut eingeführter Unterlieferant mehrerer sehr großer Kunden hatte sich das Unternehmen den Ruf erarbeitet, Spezialist für Problemproduktionen zu sein. Deshalb bekam es 2005 die Anfrage zur Produktion einer Batteriesteuerungsbox für ein deutsches Luxusauto mit mehr als 20 Gewindbolzen, die umspritzt werden mussten. Dabei handelte es sich um 4 unterschiedlich lange und dicke Metallbolzen, die sehr präzise in der fertigen Box stehen mussten, weil Maxisicherungen, elektronische Bauteile und eine Leiterplatte später darauf montiert wurden.

Die Anfrage kam über einen der größten deutschen Elektronikhersteller, der den Gesamtauftrag für die Box von dem südwestdeutschen Automobilhersteller bekommen hatte. Das Fertigungsproblem bei dem Außengehäuse bestand darin, dass die Bolzen im Spritzwerkzeug mit extrem wenig Spiel abgedichtet werden mussten, damit beim Spritzprozess kein Kunststoff vorbeigedrückt werden konnte. Gleichzeitig mussten jedoch auch die Toleranzen der Metallteile abgedeckt werden und die Bestückung der Bolzen in das Spritzwerkzeug musste in einem engen Zeitkorridor und damit also automatisiert erfolgen, um den erforderlichen, maßstabilen Prozess für die Boxen zu garantieren. Als besonderes Bonbon kam hinzu, dass es an den Metallbolzen nur minimale Angriffsflächen zum Greifen und Positionieren der Bolzen gab. Für diese Ansammlung schwierigster Anforderungen suchte der bekannte Elektronikhersteller einen geeigneten Lieferanten und eine Produktionsmethode, die bei Jahresmengen von maximal 80.000 Stück sowohl preislich erträglich war als auch qualitätsmäßig sehr gut. Die vorausgegangene Anfrage bei größeren Zulieferern und Systemfirmen für Roboterhandling waren alle negativ verlaufen. Praktisch alle Angefragten hatten kein Angebot abgegeben, weil sie die Gewindebolzen nicht sicher handhaben konnten, und ein Spezialist für Roboterhände hatte eine Hand für 169.000 EUR angeboten, aber keine Produktion der Box.

Die Einschätzung der Fachwelt war dementsprechend: Mit den so gestalteten Gewindebolzen sei keine ordentliche Produktion möglich, selbst bei enormen Investitionsaufwendungen für die Produktionsmittel.

In dem kleinen Lüdenscheider Unternehmen hatten sich damals zwei Spezialisten für anspruchsvollste Automatisierungsvorhaben etabliert, die beide vom langjährigen Marktführer für Automobilelektrik in Wuppertal gekommen waren. In Kooperation mit einem weiteren Spezialisten, der Produktionswerkzeuge und -einrichtungen für deutsche Kunden in den östlichen Nachbarländern baute und einführte, gelang es, eine geniale Lösung für die Fertigung der Batteriebox zu finden und zu realisieren.

Da sich die Bolzen nicht richtig greifen ließen, kam schnell der Beschluss, dann greifen wir eben nicht sondern suchen andere physikalische Möglichkeiten für die Zuführung der Bolzen in das Spritzwerkzeug. Von den diskutierten Ideen stellte Magnetismus sich als optimal heraus, da die Bolzen aus Stahl mit Zinkoberfläche bestanden. In der Roboterhand (Versuchsaufbau) wurde jeder Bolzen durch 4 Permanentmagnete gehalten und exakt positioniert. Diese Methode war so sicher und einfach, dass die genaue Mittenpositionierung der Bolzen selbst mit einem rostigen Nagel funktioniert hat. Die später gebaute, funktionssichere Roboterhand ohne jegliche Greifmechanik hat übrigens nur 6.000 EUR gekostet und hat sich als absolut materialschonend für alle Dichtkanten im Werkzeug erwiesen.

Mit dieser Idee bekam das Unternehmen den Auftrag, die Produktionseinrichtungen zu bauen und das teure und ertragreiche Produkt in der Serie zu liefern. Es wurde eine Roboterfertigungszelle um eine 300 Tonnen Spritzmaschine herum gebaut, mit diversen integrierten Qualitätssicherungssystemen für das Fertigprodukt, elektronischen Überwachungssystemen zum Schutz des Spritzwerkzeugs und zur Gewährleistung eines unterbrechungsfreien Prozesses, mit Qualitätsprüfungen für jeden einfließenden Gewindebolzen und automatischer Qualitätsaufschreibung und -statistik über die wichtigsten Prozessdaten im Spritzprozess. Die Gesamtkosten der Fertigungszelle lagen inkl. Spritzwerkzeug und Roboter (aber ohne Spritzmaschine) unter 200.000 EUR, der Jahresumsatz lag über 1 Mio. EUR, der Personalbedarf bei weniger als 1 Person pro Schicht und die Rüstzeit für die gesamte Fertigungszelle lag bei etwa einer Schicht für eine Person. Die günstigen Investitionskosten wurden dadurch ermöglicht, dass das Spritzgiesswerkzeug und diverse Peripherie von dem genannten externen Partner in der Slowakei gebaut wurde.

Mit dieser Fertigungseinrichtung hat das Unternehmen jahrelang ohne nennenswerte Qualitätsvorfälle gute Gewinne erzielt und eine absolut sichere und vertrauensvolle neue Kundenbeziehung begründet.

Kabelkonfektionsautomaten

Dies ist ein weiteres Beispiel aus dem Wuppertaler Unternehmen für elektrische Verbindungstechnik, mit dem eine Technologie neu geschaffen wurde, die weltweite Anerkennung als Sondermaschinenbauer und entsprechende Aufträge gebracht hat. Auch in diesem Fall wurde der Erfolg dadurch ermöglicht, dass der Stand der Technik verlassen wurde und neue physikalische Prozesse aus anderen Industriebereichen übernommen wurden.

Bis weit in die 80er Jahre war Kabelkonfektion in Deutschland als personalintensives Fertigungsverfahren mit manuellen und halbautomatischen Prozessen noch weit verbreitet. Um diese Fertigungen nicht total an Billiglohnländer zu verlieren und um die Qualität der Kabelbäume im Auto drastisch zu verbessern, hatte ein großer norddeutscher Automobilkonzern das Ziel gesetzt, Teilkabelbäume vollautomatisch herstellen und prüfen zu lassen. Dazu wurden diverse Kabelbaumprojekte bei den Hauptlieferanten für Verbindungstechnik angefragt. Mehrere internationale Anbieter nahmen ein Projekt in Auftrag und konstruierten Maschinen nach dem Stand der Technik.

Das bedeutete damals Kabelschneidautomaten mit einer Leistung von etwa 7.000 Stück pro Stunde bei 2 m Kabellänge und Crimpmaschinen mit rund 6.500 Crimpungen pro Stunde, wobei eine Crimpung die gasdichte Verbindung eines Metallfederkontakts mit einem Kabelende darstellt. Die genannten Leistungsgrenzen wurden dabei durch physikalische Prozesse gesetzt, die einfach nicht schneller ablaufen konnten. Das Abmessen und Abschneiden einer bestimmten Kabellänge geschah dergestalt, dass ein Greifer das Kabelende gepackt, mit einem elektrischen oder mechanischen Vorschub auf die gewünschte Kabellänge gezogen hat und dann das Kabel durchtrennt und fallen gelassen wurde. Danach musste der Greifer zurücktransportiert werden und der Prozess begann von vorne. Die Crimppressen wurden elektrisch angetrieben, hatten eine Schwungscheibe und wurden für jede Crimpung mechanisch ein- und wieder ausgekuppelt. Neben ohrenbetäubendem Lärm verursachte das ständige Ein- und Auskuppeln so starke Beschleunigungen und mechanische Belastungen, dass höhere Geschwindigkeiten nicht möglich waren.

Das Wuppertaler Unternehmen, welches schon als Technologieunternehmen einen Namen hatte, setzte sich selbst das Ziel, in eine andere Leistungsklasse vorzustoßen. Dafür wurde alles Wissen über den Stand der Technik beiseitegelegt und es wurden andere physikalische Prozesse untersucht.

In Zusammenarbeit mit einem kleineren Kabelkonfektionär, der ebenfalls mit der Leistung bestehender Maschinen unzufrieden war, wurde eine Grundmaschine als Prototyp gebaut, die 19.000 Leitungen von 2m Länge pro Stunde ablängen konnte. Das Prinzip wurde aus der Zigarettenindustrie übernommen. Dort wurden gepresste Stangen aus Tabak mit hoher Geschwindigkeit zerteilt und in die Papierhülsen eingeschossen. Mit dem Prinzip des Vorschiebens und Ablängens der Kabel durch hochdynamische Elektromotoren mit angeflanschten Antriebsrädern wurde der Rücktransport eines Greifers komplett überflüssig und die zu beschleunigenden Massen wurden stark reduziert. Damit war eine Voraussetzung für extrem hohe Leistungen in der Kabelkonfektion geschaffen.

Die Geschwindigkeitserhöhung der Crimppressen wurde durch Laborversuche mit bürstenlosen Drehstrommotoren und Kraftübertragung durch Zahnriemen statt mechanischer Kupplungen ermöglicht. Die Elektromotoren liefen bei jeder Crimpung mit maximaler Beschleunigung aus dem Stillstand los und bremsten mit maximaler Verzögerung wieder bis zum Stillstand ab. Dieses Verfahren wurde von den Motorherstellern abgelehnt, weil die Motoren sich dabei im Rauch auflösen würden. Ein erfahrener Elektroingenieur aus dem eigenen Haus hat aber mit einer pfiffigen Motorsteuerung und einer Zwangslüftung dafür gesorgt, dass die entstehende Wärme sicher abgeführt wurde. Damit hielten die Motoren auch im mehrwöchigen Dauertest problemlos durch. Mit diesen Antrieben für die Crimppressen, die im Übrigen extrem leise liefen, war es ebenfalls möglich, die 19.000 Crimpungen pro Stunde problemlos zu erreichen.

Natürlich war noch eine Vielzahl von Detailproblemen beim Bau der Maschinen für das Automobilwerk zu lösen, die Produkte (Metallteile und Kunststoffteile) mussten für die Geschwindigkeit optimiert werden, ebenso die Gehäusebestückungsprozesse und auch die automatische Prüftechnik, aber der Durchbruch in eine neue Leistungsdimension war gelungen. Die Maschine wurde in 4 Exemplaren gebaut und hat rund 10 Jahre lang in zwei deutschen Werken im Dreischichtbetrieb den Gesamtbedarf des Konzerns für den speziellen Teilkabelbaum produziert. Für den Konzern war damit eine Rationalisierung der Kabelkonfektion verbunden, die niemand in solcher Höhe für möglich gehalten hatte.

Bei den hohen Geschwindigkeiten konnten ausschließlich Produkte des Wuppertaler Unternehmens auf den Automaten verarbeitet werden, Konkurrenzprodukte hatten nicht die erforderliche Qualität und führten immer wieder zu Störungen. Dadurch entstand eine außergewöhnlich starke und langjährige Kundenbindung mit großen wirtschaftlichen Vorteilen für beide Seiten.

Das Wuppertaler Unternehmen hat in den Jahren danach eine Sparte Maschinenbau auf über 200 Mitarbeiter aufgebaut und eine ganze Palette von Automaten für die Kabelkonfektion auf den Markt gebracht, die alle auf den neuen Grundprinzipien aufgebaut waren. Diese Maschinen wurden weltweit verkauft und haben bei vielen Kunden eine besondere Position des Unternehmens als Lieferant geschaffen. Die Maschinenentwicklungen der Konkurrenten, die nach dem Stand der Technik vorgegangen waren, sind übrigens alle nicht zum Einsatz gekommen bzw. wurden gar nicht erst fertiggestellt.

Elektronikstiftleisten

Dieses Beispiel stammt wieder aus der bereits bekannten kleinen Lüdenscheider Firma. Ein großer amerikanischer Elektronikkonzern hatte in seiner Europazentrale in Südwestdeutschland mit einer Produktgruppe spezieller Lötstiftleisten ein großes Qualitätsproblem und daraus resultierend massive Ausbringungsprobleme. Diese Stiftleisten wurden in Frankreich und Japan standardmäßig in Motorelektroniken eingebaut und mussten wegen der Gefahr von Bandstillständen in Null-Fehler-Qualität geliefert werden. Der Elektronikkonzern stand vor der Alternative, diese Produktgruppe auf ein drastisch höheres Qualitätsniveau zu heben oder sie aufzugeben, da die Fertigung in Frankreich die Qualitätsprobleme nicht in den Griff bekam.

In dieser Situation brachte der Entwicklungsleiter als möglichen Ausweg die Lüdenscheider Firma ins Gespräch, die er seit vielen Jahren als Problemlöser kannte. Innerhalb von 2 Wochen wurde nach einer Besichtigung der Fertigung ein neues Produktionskonzept entwickelt, welches sowohl die notwendige Qualität sichern, als auch eine profitable Herstellung ermöglichen konnte. Kernpunkt des Konzeptes war der Umbau der Montageanlage von einem Halbautomaten mit viel manueller Arbeit und Qualitätssicherung durch nachträgliches Prüfen zu einem Vollautomaten mit im Prozess integrierten Kameraprüfungen, automatischer Qualitätsstatistik und sofortiger Reaktion auf jede Abweichung.

Um die vorhandene große Fertigungsanlage weiternutzen zu können, wurde eine Roboterfertigungszelle mit diversen Peripheriegeräten neben die Fertigungsanlage gestellt und die Robotersteuerung übernahm die Koordination von insgesamt fünf unterschiedlichen Steuerungen. Mit diesem Konzept wurde die Tätigkeit der Mitarbeiter auf Pflege und Wartung der Anlagen, auf die Materialversorgung aller Komponenten, die Endverpackung und diverse Dokumentationsarbeiten konzentriert. Der Druck, alle 6 Sekunden eine Stiftleiste herstellen und prüfen zu müssen, wurde komplett von den Mitarbeitern genommen.

Nach Verlagerung der Fertigung von Frankreich nach Lüdenscheid wurde der Umbau der Montageanlage mit einem Aufwand von 95.000 EUR innerhalb von 3 Monaten realisiert, wobei der Fertigungsstillstand nur 14 Tage betrug. Der Personalaufwand wurde von vorher 11 Mitarbeitern auf 3 Mitarbeiter im Dreischichtbetrieb reduziert und die Ausbringung gleichzeitig nahezu verdoppelt. Die Zahl der Reklamationen wurde von 2 berechtigten Fällen pro Woche auf durchschnittlich 2 pro Jahr zurückgeführt, wobei diese nur unbedeutende Vorfälle (z.B. Transportschäden) betrafen.

Mit diesen Ergebnissen war die Produktgruppe grundsätzlich saniert, der Konzern hatte wieder Spielraum im weltweiten Preiskampf und das Lüdenscheider Unternehmen erarbeitete mit 3 Mitarbeitern einen Jahresumsatz von ca. 2 Mio. EUR. Da über ein eingerichtetes Kanban-System diese 3 Mitarbeiter auch die gesamte Materialdisposition nebenbei miterledigen konnten und sämtliche Ware fertig etikettiert und auf Paletten verpackt aus der Fertigungszelle kam, war bei diesen Produkten die Ertragssituation außerordentlich erfreulich.

Trimmschrauben

Der Marktführer für Sendeanlagen im Mobilfunkbereich hatte bei der Einrichtung der UMTS-Netze jahrelang Bedarfe für sogenannte Trimmschrauben in einer Größenordnung über 12 Mio. Stück pro Jahr. An jedem Antennenmast wird eine Vielzahl dieser Trimmschrauben gebraucht, um die einzelnen Sendefrequenzen im Hochfrequenzbereich präzise einregeln zu können. Die Schrauben bestehen aus zwei stimmgabelähnlichen Metallteilen, die mit hochfrequenzbeständigem Kunststoff umspritzt werden. Die Außenhaut hat die Form eines ballig geformten Feingewindes. Dieses Gewinde muss von minus 40 Grad Celsius bis plus 80 Grad absolut fest sitzen, damit sich die Frequenzen nicht verstellen. Andererseits müssen die Schrauben sich mit einem antistatischen Miniaturschraubendreher mit geringsten Kräften präzise justieren lassen.

Die Herstellung dieser Trimmschrauben war sehr teuer mit aufwändig gefrästen und gedrehten Messingteilen, die sehr präzise und ohne Beschädigung paarweise in ein Spritzwerkzeug eingelegt werden mussten. Die Anforderung an die Prozessstabilität des Spritzvorgangs war wegen der erforderlichen Maßgenauigkeit ebenfalls sehr hoch. Der Stückpreis lag bei dieser Fertigung deutlich über 1 EUR pro Trimmschraube.

Wegen den stark steigenden Bedarfszahlen suchte der Konzern nach Alternativen für die Herstellung der Schrauben. Ein bekannter deutscher Hersteller von Kaltformteilen aus Metall, der auch über einen leistungsfähigen Kunststoffspritzguss- und Fertigungsautomatisierungsbereich verfügte, entwickelte damals kaltgeformte Metallteile aus Hartaluminium, die die notwendige Präzision für eine automatisierte Weiterverarbeitung hatten. Die Herstellung dieser Kaltformteile mit einer extremen Maßgenauigkeit war von Kaltformspezialisten nach dem Stand der Technik als unmöglich angesehen worden, gelang dem Unternehmen nach einigen Vorversuchen aber trotzdem. Mit dieser Entwicklung neuer Fertigungstechnologie schuf sich das Unternehmen, das vorher keine Geschäftsbeziehungen zu dem Konzern hatte, ein absolutes Alleinstellungsmerkmal und erhielt den Auftrag für die Serienlieferungen als Alleinlieferant.

Neben der Kaltformteilfertigung wurde eine Roboterfertigungszelle zum Einlegen, Umspritzen und Prüfen der Trimmschrauben konzipiert und gebaut. Mit dieser Automatisierungslösung war es möglich, 16 geprüfte Metallteile gleichzeitig in das Spritzwerkzeug einzulegen und so einen absolut stabilen Spritzprozess mit hoher Ausbringung zu gewährleisten. Damit wurde bei exzellenter Teilequalität und Null-Fehler-Lieferung ein Verkaufspreis unter 50 Cent pro Stück möglich, wobei für den Hersteller schon eine außergewöhnliche Gewinnspanne kalkuliert war.

Aus diesem Projekt haben beide Seiten große Gewinne gezogen und es folgte eine langjährige, gute Zusammenarbeit mit einer Vielzahl von Produktentwicklungen für den Hochfrequenzbereich.